Obwohl sich in den Unterlagen der Wehr ein Casabuch (Kassenbuch) befindet, worin der erste Eintrag mit dem 17. Mai 1885 datiert ist, trägt das Gründungsprotokoll das Datum des 11. September 1886. 37 Personen bezeugten durch Unterschriftsleistung Ihre Mitgliedschaft in der Wehr - dem Gegenüber standen etwa 700 Einwohner. Der erste Brandmeister wurde Oscar Krell. An technischen Mitteln zur Brandbekämpfung standen 3 Spritzen zur Verfügung, die in den Unterlagen wie folgt bezeichnet sind: Alte Spritze, Abprotzspritze und Neue Spritze. Die Bezeichnung Alte Spritze ist nicht nur ein Hinweis auf eine frühere Feuerwehr im Ort - die Freiwillige Feuerwehr folgte der Pflichtfeuerwehr und übernahm deren Ausrüstung. Ferner standen 8 Leitern und sonstiges Löschgerät (wie Löscheimer) zur Verfügung.

Kommando-Wehrfuehrung 1911

Das Kommando (heute: Wehrführung) der Freiwilligen Feuerwehr Sinn im Jahre 1911

 

Als erstes Gerätehaus wird das Gebäude unterhalb der Kapelle im Ballersbacherweg bezogen. Ein Leiterhaus zur Unterbringung der Leitern befindet sich oberhalb der evangelischen Kirche. In den folgenden Jahren finden sich Eintragungen über den Kassenbestand im Protokollbuch wieder, die recht interessant sind. Wird hier doch davon berichtet, dass die Kameraden sich die Uniformen selbst beschaffen mussten oder für das Zuspätkommen zu den Übungen eine Geldstrafe abverlangt wurde. Im Protokoll des Berichtsjahres 1892/1893 findet sich der Hinweis einen Brand auf der Sinner Mühle. Für rasches Eingreifen bei diesem Feuer erhalten zwei Kameraden ein Geldpräsent durch die Nassauische Brandkasse. Anfang des 20. Jahrhundert stehen die Einführung der "Feuer-Lösch-Polizeiverordnung" und der Beitritt zur Freiwilligen Beihilfskasse Wiesbaden in den Protokollen. Auch von der Einführung von Abzeichen zur Kenntlichmachung der Funktion von Führern ist zu lesen.

Gruendungsurkunde 1886

Gründungsurkunde der Freiwilligen Feuerwehr Sinn aus dem Jahre 1886

Am 26. September 1909 findet unter den Augen des Kreisbrandmeister Röver (Dillenburg) eine Übung statt, bei der 2 Hydranten mit 4 Schlauchlängen zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wird eine Revision der Spritzen und Geräte durch Prof. Nabenhauer vorgenommen. Angenommenes Brandobjekt war "Türks-Haus", heute Gaststätte "Tassili" in der Herborner Strasse. Die folgenden Jahre werden von finanziellen Problemen beherrscht. Die Wehr gibt gebrauchte Uniformen aus mit der gleichzeitigen Weisung, diese bei Bränden zu tragen, um die neueren Uniformen zu schonen. Intern werden personelle Änderungen vorgenommen, in dem Mitglieder von den Steigermannschaften aufgrund Ihres Alters in die Wachmannschaft versetzt werden. So werden zusätzliche >Röcke< frei.

 

Im Jahr 1912 werden im Saal der Gaststätte Färber die ersten Ehrungen für 25 Dienstjahre vollzogen. 16 Wehrmänner aus Sinn und Hörbach (die Wehr Hörbach war hier auch zugegen) erhielten von Kreisbrandmeister Röver und Landrat Von Zitzewitz das von seiner Majestät gestiftete Ehrenzeichen. 1914 - 1918 Erster Weltkrieg - hier fehlen der Wehr Sinn jegliche Aufzeichnungen. Bedingt durch den Kriegsdienst kam wohl die Freiwillige Feuerwehr zum Erliegen und man muss annehmen, dass der Brandschutz wieder von einer Pflichtfeuerwehr übernommen worden ist.

Erst im Juni 1919 wird wieder eine Übung vermerkt. Im April 1921 wird eine Kommission zur Überprüfung der Feuerlöschgeräte berichtet. Neuanschaffungen wie ein einlaufkrümmer für die Spritze Nr.1, Stangen für die Einreißhaken und einem Signalhorn finden sich in den Niederschriften wieder. Signalhörner waren das Alarmierungsgerät der Wehr. Dazu war der Ort in 4 Regionen eingeteilt, für die jeweils ein Hornist zuständig war. Im Alarmfall wurde von den Hornisten Signal gegeben und gleichzeitig mit den Kirchenglocken sturmgeläutet.

Mannschaft Turnfest 1925

Die Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Sinn beim Turnfest im Sommer 1925

Im Juni 1926 findet sich ein Schreiben an die Gemeinde, in dem darum gebeten wird, die Wehr mit Uniformröcken auszustatten, wie sie in allen anderen Wehren des Dillkreises schon getragen würden. 80 Röcke sollen bestellt werden, zusätzlich würden 12 Pfeifen, 9 große Sicherheitshaken, 10 Seile und 10 Beile benötigt. Dieses Schreiben und die Debatte um die finanzielle Unterstützung ziehen sich bis in das Jahr 1929 hin. In mehreren Versammlungen werden die unterschiedlichsten Finanzierungsangebote dargelegt. 04. Juli 1929 FEUER - um drei Uhr stehen Wohnhaus, Scheune und Stall des Schlossers Heinrich August Gerhard in hellen Flammen. Die Gebäude brennen vollständig nieder. Durch das rasche Eingreifen der Wehr wird ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Gebäude verhindert.

Für den Oktober 1930 findet sich ein Eintrag über eine abgehaltene Tagung des Kreisfeuerwehrverbandes Herborn II in Sinn. Dieser Versammlung ging eine Übung der Freiwilligen Feuerwehr Sinn, der Werkfeuerwehr der Neuhoffnungshütte und der Sanitätskolonne voraus. Hier findet man ein nicht ganz alltäglichen Hinweis. Der Brandschutz und die Gefahrenabwehr wurden in Sinn von 2 Wehren übernommen, die über all die Jahre Ihrer Existenz sehr eng zusammen gearbeitet haben. Sowohl Freiwillige als auch Werksfeuerwehr rückten zu Einsätzen gemeinsam aus und waren durch Übungen miteinander verbunden. In späteren Jahren sollten sogar Fahrzeuge gemeinsam angeschafft und genutzt werden, doch hierüber später mehr.

Brandschutzwoche 1934

Brandschutzwoche 1934 - Die Einsatzabteilung hinter der Saug- und Druckspritze

 

1936 begeht die Wehr ihr 50jähriges Bestehen in einer kleinen, schlichten Feier. Der damalige Ortsbrandmeister Geis hält Rückschau auf 50 Jahre. Die Einflüsse und politischen Ereignisse des Hitler Regimes gehen auch an unserem Dorf nicht vorbei. Schon lange vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges greifen kriegsvorbereitende Maßnahmen in das Leben unserer Wehr ein. Im Zuge der Gleichschaltung werden die Feuerwehren dem Reichsführer der SS und Polizei unterstellt - Berufsfeuerwehren tragen nun den Namen "Feuerschutzpolizei". Viele Neugründungen wurden durch den Staat angeregt und gehen auf die erste Hälfte der 30er Jahre des 20. Jahrhundert zurück. Der Luftschutz und der Gasschutz werden in das Aufgabenfeld der Feuerwehr eingegliedert. Im Protokoll der Generalversammlung vom 29. Mai 1938 wird von einem Feuer auf der Neuhoffnungshütte berichtet und von einem Waldbrand im Gemeindewald. Im Zuge der Neuordnung des Feuerlöschwesens durch das Regime, erhält die Wehr einen Tragkraftspritzenanhänger mit einer TS 8/8 der Marke Flader.

1. September1939 - Ausbruch des 2. Weltkrieges. Bereits im August 1940 fallen bei Dillenburg die ersten Bomben und geben einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Ereignisse. Eine Bestandsaufnahme vom 1. April 1941 gibt wieder : 620 Meter Druckschlauch 52 mm (C-Schlauch) + 310 Meter Druckschlauch 75 mm (B-Schlauch) + 1 Motorspritze + 1 Handdruckspritze + 1 Schlauchwagen + 1 Hydrantenwagen + 1 hölzerne Anhängeleiter + 1 Schiebeleiter + 2 Hakenleitern + 4 Standrohre + 8 Strahlrohre + 3 Verteilerstücke + 1 Übergangsstück + 2 Hydrantenschlüssel. Das Protokollbuch enthält keine Eintragungen bis zum 3. Mai 1941. Erwähnt sind mehrere Einsätze der Wehr, der Kassenbericht und die Anschaffung von Schläuchen für die TS 8/8 - nun sei man in der Lage, bei Wasserknappheit, Löschwasser aus der Dill zuentnehmen. Auch findet sich ein Hinweis auf eine Betriebsstoffknappheit für die Flader. Das Protokollbuch endet hier für die kommenden 5 Jahre. In 1940 und 1941 sind in den umliegenden Dörfern und Städten Abwürfe von so genannten Brandplättchen genannt, die mehrere Flächen- und Waldbrände entfacht hätten. Hier ist anzunehmen, dass diese Art des Luftkrieges auch unsere Wehr auf den Plan rief und zur Brandbekämpfung ausgerückt werden musste.

In der Nacht vom 23. auf den 24. März 1942 findet sich der Hinweis auf die Inanspruchnahme eines Lastautos der Neuhoffnungshütte für die Zeit von 23:45 Uhr bis 08:10 Uhr. Vermutlich als Zugfahrzeug für die Tragkraftspritze. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1943 kommt es zum ersten kriegsbedingten Flugzeugabsturz in unserer näheren Umgebung. Zwischen Edingen und Greifenstein, auf dem Bergrücken des Stemels, stürzt eine 4motorige Lancaster ab. Die gesamte Besatzung findet den Tod. Im September 1944 nimmt die Zahl der Angriffe durch Tiefflieger rasant zu. Zunehmend werden Eisenbahnzüge beschossen und die Bebauung in direkter Nachbarschaft zur Bahnlinie wird ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Im Jahre 1944 wird zum letzten Mal der Beitrag durch den Kassierer erhoben, das ist das letzte amtliche Dokument in den Beständen der Freiwilligen Feuerwehr für die Kriegszeit.

24.Dezember 1944 Eine Boeing B-17 wirft 18 Bomben auf das Dorf, nachdem diese nicht über dem Ziel, dem Flugplatz Gießen, gelöst werden konnten. Die Einschläge liegen von der Göbelsburg bis auf das Werksgelände der Neuhoffnungshütte. Das Haus Becker im Seelbacherweg (heute Bergstrasse) erhält einen Volltreffer und stürzt vollständig ein. Rettungsmannschaften bergen die Leichen von Emma Becker und Ihrer Pflegetochter Renate Weimer (3 Jahre alt). In der Wilhelmstrasse wird das Haus Langner vom Luftdruck zur Hälfte zum Einsturz gebracht. Aus den Trümmern wird der 4jährige Klaus Donges gerettet - er verstirbt zwei Stunden später.

17. März 1945 In einem Amerikanischen Angriffsbericht der US Luftwaffe findet sich ein Eintrag über einen Angriff auf unser Dorf. 16 einmotorige Jagdbomber vermelden bei einem Angriff auf eine Nachschubskolonne in Sinn, das zwei Gebäude zerstört worden sein und an 4 Stellen im Ort Feuer ausgebrochen wären. Tatsächlich wurden 2 der hölzernen Lagerbaracken der Neuhoffnungshütte (Zwangs- und Fremdarbeiter) durch Bomben vernichtet und brannten aus. Über die 4 Feuer im Ort konnten keine Beweise gefunden werden. 27. März 1945 Die US Bodentruppen besetzen fast ohne Komplikationen unseren Ort kurz nach Sonnenaufgang. In der Hansastrasse wird mit einem schweren MG auf ein Haus geschossen und ein Bewohner getroffen, der an dieser Verletzung verstirbt. Damit endet für unser Dorf der Einfluss des NS Regimes. 08. Mai 1945 Die Führung des Deutschen Reichs erklärt Ihre bedingungslose Kapitulation und somit endet der 2. Weltkrieg.

Bis zum 1. April 1946 liegt die Freiwillige Feuerwehr brach und lediglich eine Pflichtfeuerwehr existiert noch.